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INTERVIEW 1994 |
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Gespräch mit dem Pianisten Hermann Müller
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Kaum einer kannte die Seele des Klaviers so gut wie Chopin
Der Pianist Hermann Müller gibt am morgigen Dienstag einen Chopinabend in der Konzerthalle „Georg Philipp Telemann“. Liane Bornholdt sprach mit dem Künstler:
Sie sind im Magdeburger Musikleben kein Unbekannter, dennoch hat man Sie in letzter Zeit selten solistisch gehört. Was waren die Gründe? Hermann Müller: Ich bin seit der Wendezeit ja nicht nur Pianist gewesen, sondern auch der Leiter der Außenstelle der Musikhochschule und natürlich durch diese Aufgaben und in der Lehre zeitlich sehr stark gebunden gewesen. Dennoch habe ich das Konzertieren nicht aufgegeben, bin bei den Neujahrskonzerten der Magdeburgischen Philhamonie aufgetreten und habe im Sommer die Sängerin Monika Köhler begleitet.
Sie geben ihre Lehrtätigkeit aber nicht auf. Hat sich die Situation jetzt geändert? Hermann Müller: Die Turbulenzen der Umstrukturierung sind vorerst ausgestanden. Noch fehlt allerdings die Zeit, um alle künstlerischen Vorhaben zu realisieren. Ich würde z.B. sehr gern mehr Kammermusik machen.
Künstlerische Tätigkeit und die Arbeit in der Musikerausbildung wollen Sie aber auch weiterhin vereinbaren? Hermann Müller: Ja, auf alle Fälle, denn sie befruchten sich gegenseitig. Ich lerne als Pianist sehr viel, wenn ich Schüler bzw. Studenten unterrichte. Man wird sich über viele Feinheiten der Technik, des Ausdrucks beispielsweise, erst ganz bewusst, wenn man sie anderen erklären muss. Außerdem ist natürlich das aktive Musizieren wichtig für eine künstlerisch anspruchsvolle Ausbildung und der Bedarf an Klavierlehrern, die auch gute Pianisten sind, ist nach wie vor sehr groß.
Morgen werden Sie ein Solokonzert mit Werken Fryderyk Chopins, die Ballade g-Moll, Scherzo b-Moll, Sonate h-Moll sowie Nocturnes und Mazurken, in der Magdeburger Konzerthalle geben. Haben Sie eine besondere Beziehung zu Chopin? Hermann Müller: Ja, natürlich. Es gibt neben Chopin kaum einen Komponisten, der sich in seinem Schaffen fast ausschließlich dem Klavier gewidmet hat, und kaum einer kannte die Seele des Klaviers so gut wie er. Meine Liebe zu Chopin hat aber auch ganz persönliche Gründe. In der Familie meiner Großmutter gab es eine Klavierlehrerin, die aus Ostpreußen stammte und bei uns zu Hause Chopin spielte. Es war die erste Musik, die ich bewusst gehört habe. Von ihr bekam ich als Siebenjähriger auch meine ersten Klaviernoten, ein Chopin-Notenbuch. Das erste, was ich von Musik wusste: Chopin muss etwas ganz Besonderes sein.
Sind Sie heute auch noch dieser Meinung? Hermann Müller: Ja, ich wurde im Laufe meiner Ausbildung immer wieder mit Chopins Musik vertraut gemacht. Mein Klavierlehrer in Hoyerswerda, Jürgen Tolksdorf, war ein großer Chopinfreund. Auch während des Studiums in Krakau bei Professor Ludwik Stefanski, dem Mann der berühmten Chopininterpretin Halina Czerny-Stefanska, haben wir natürlich viel Chopin studiert. Ich bin der Meinung, dass die Musik Chopins die Zuhörer, genau wie zu seiner Zeit, noch immer sehr unmittelbar anspricht. Für den Pianisten ist sie eine immerwährende Herausforderung. Sie hat ein starkes improvisatorisches Element. Man muss sie so spielen, als ob man sie im Moment erfindet.
Volksstimme - Kultur - 17. Oktober 1994
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